Zettenkaiser Ostwand16.10.1999
Wir waren gut in der Zeit, die Biere am Vorabend haben
sich in fast 7 Stunden Schlaf problemlos aufgelöst, wir standen um 6:30 Uhr
auf, packten unser Zeug, sprangen ins Auto und ab gings. Die Salzburger
Autobahn war frei und so schafften wir es, um 8:30 Uhr am Hinterduxer Hof
loszugehen. Wir gingen bis kurz hinter die Kaindlhütte, stoppten 20 Minuten für
eine kleine Brotzeit und gingen weiter Richtung Einstieg. Die Wand ist eine
Ostwand, die erste Hälfte neigt sich allerdings ziemlich nach Norden. Sonne
konnten wir also nur im letzten Drittel erwarten, und das auch nur wenn wir zur
rechten Zeit dort sein würden. Sehen konnten wir sie schon, doch nur hinter den
Bergen (Zettenkaiser und Scheffauer) die jetzt vor uns aufragten, und deren
Kamm von Wolkenschwaden umflogen wurden. An eines hatten wir nicht gedacht, daß
Frost sein könnte. Die Steine auf dem Geröllfeld waren mit einer feinen
Eisschicht überzogen und extrem rutschig.Wir entschlossen uns aber erstmal zum
Einstieg zu gehen und zu testen, ob das in der Wand auch so ist. Wir kamen beim
Schrofenaufbau an, der im Führer mit 4 Seillängen, 130 Meter, durch I, II und
IIIer Gelände beschrieben war, legten das "Geschirr" an und fingen
an, noch unangeseilt aufzusteigen. Das Gelände stellte sich allerdings als gar
nicht so einfach heraus und so seilten wir uns nach ungefähr 30 Metern an. Wir
fanden auch Haken, leider nur geschlagene und nicht sehr vertrauenswürdig, doch
für das Gelände war es genug und es war auch schon eine Erleichterung, das Seil
nicht mehr tragen zu müssen. Wir sahen eine andere Seilschaft vor uns und
machten den Fehler (in den Bergen sehen alle von weitem wie Profis aus - ein
riesiger Fehler!) uns sicherer zu fühlen. Während wir aufstiegen wunderten wir
uns, daß die andere Seilschaft nicht voranzukommen schien. Als wir am Einstieg
ankamen waren die auch gerade dort. Zwei Typen in unserem Alter, bayrischer
Dialekt und ein Sortiment Klemmkeile am Gurt. Ich fragte was los ist, daß sie
nicht vorankommen. Sie waren frontal in die "40 Meter Wandl"
eingestiegen und wieder zurückgekommen, ("des konn koa Vierer sei").
Sie fingen gerade an eine Route rechts neben dem 40 Meter Wandl hochzusteigen.
Und da machten wir den Fehler. Wir stiegen ihnen hinterher. Zum Glück nur eine
Seillänge. Allerdings kostete die uns ca. Eine Stunde. Die Anderen stellten sich
als ziemliche Stümper raus. Sie kletterten langsam und schlecht, lösten ständig
Steine, die auf uns runterregneten und meckerten sich bei jeder Gelegenheit an.
Wir kletterten, warteten und kühlten schrecklich aus, es konnte nicht mehr als
wenig über null Grad haben. Kurz nach dem ersten Standplatz erkannte ich, daß
dieser Weg nicht stimmen konnte, kletterte ab zum Standplatz und wir nutzen die
Gelegenheit, nochmal ins Buch zu schauen und uns die höhere Position zu Nutze
zu machen um die Route zu suchen. Wir erkannten die wahrscheinlich richtige,
opferten ein Reepschnur und seilten uns ab. Wir waren wieder am Einstieg. Die
andere Seilschaft versuchte auch wieder herunterzukommen, allerdings hatten die
ziemliche Probleme, da sich ihr Seil beim Durchziehen verfangen hatte und sie
es lösen mußten. Das hat die ganze Zeit gedauert während wir sie noch hören
konnten. Eine einzige Flucherei. Bei uns ging's dann richtig los (immerhin
schon 14:45 Uhr). Die erste Seillänge war wirklich nicht ohne und die, im
Führer beschriebene Absicherung, schlechter als ich sie mir vorgestellt hatte.
Aber man konnte hie und da eine Bandschlinge setzen oder einen Klemmkeil
einbauen. Allerdings war das Stück schon eine kleine Herausforderung an unsere
Psyche. Doch die Kletterei machte spaß und die Route öffnete sich - von Haken
zu Haken - förmlich vor uns. Wir kamen durch eine V-förmige Rinne und dann über
IIer Gelände zur Gipfelwand. Hier sollten die ausgesetztesten IVer und vorallem
die Schlüsselstelle sein. Zwei Seillängen IV+ und IVer Kletterei. Erst fanden
wir den Weg nicht, da eine andere Route (es stellte sich wiedermal heraus, daß
das was von unten gar nicht so steil und so schwierig ausgesehen hat sich als
genau das entpuppte) mit einigen Zwischensicherungen lockte. Bisher hatten wir
noch keine Bohrhaken gesehen. Nur Geschlagenen und die sahen manchmal nicht so
überzeugend aus. Wir versuchten einen Klemmkeil oder eine Bandschlinge
dazuzunehmen, was nicht so einfach war. Wir kehrten am ersten Zwischenhaken um,
orientierten uns nochmal und fanden auch die richtige Route. Da fing das an,
was im Führer als äußerst ausgesetzte Kletterei beschrieben war. Die
Hakenabstände waren sehr moralisch und deren Qualität sowieso, eine Sanduhr und
ein Klemmkeil, 400 - 500 Meter direkt unter mir, denen mein Rucksack
entgegenzog. Unter uns hatten sich schon wiedereinmal ein Wolkenteppich
gebildet der von der spätnachmittäglichen Sonne beschienen wurde. Ein
wunderschöner Anblick, für den allerdings nicht viel Zeit blieb. Ich kam an die
Schlüsselstelle dieser Seillänge: Ein Haken fehlt. Ausgebrochen. Keine
Möglichkeit irgendetwas zu befestigen. Also nichts wie durch. Vor lauter
Anspannung schon Selbstgespräche führend, kam ich am Haken in der beschriebenen
Nische - die fast eine Höhle war - an und hakte vollkommen erleichter ein. Das
erste mal hatte ich den Blick auf die Sonnenseite. Die Hohe Tauern über den
Wolken und knallrot von der Sonne beschienen. Keine Zeit für sowas. Nachkommen!
Der Standplatz war fragwürdig doch an der Querung (die nächste Seillänge IV+)
war ein neuer Klebehaken bevor die Führe nach oben zieht. Abschlag am
Standplatz, dann waren wir am letzten Haken und kurz darauf auch am
Gipfelkreuz. Es war 18:45 Uhr. Wir zogen uns eilig um, schlangen währendessen
einen Schokoriegel runter, legten gleich die Stirnlampen an und stiegen eilig
ab. Der Normalweg sollte ein Ier sein. Bald wurde es zu dunkel und wir gingen
mit den Lampen, sahen noch den Sonnenuntergang und tauchten in die Wolken ein.
Dann verloren wir den Weg. Keine roten Punkte mehr, keine Steinmännchen,
mindesten IIer Gelände und immer glitschiger. Wir entschlossen uns soweit zu
gehen wie es ging, sollte ein Abbruch kommen, wollten wir umdrehen. Wir kamen
runter, allerdings war es eine anstrengende Angelegenheit und die letzten 15
Meter waren sicherlich ein bißchen schwerer als III. Es waren aber gute Griffe
da und mit der Stirnlampe zu klettern stellte sich als nicht so schwierig
heraus. Endlich waren wir unten. Doch wir wußten nicht wo wir waren und wir
hatten sicherlich nicht mehr Sicht als 3 Meter, vielleicht 4 (Nebel und
Dunkelheit). Wir machten eine kurze Pause, aßen ein wenig (bisher hatten wir
dafür kaum Zeit) und warfen einen Blick auf die Karte und versuchten mit dem
Kompass und dem Höhenmesser herauszufinden wohin wir mußten. Wie gesagt, wir
wußten nicht genau wo wir runtergekommen waren hatten aber das Glück, daß es
nur an 2 Stellen sein konnte und vor diesen beiden Stellen mußte ein Weg
parallel zur Wand verlaufen, einigen hundert Meter entfernt. Wir gingen los,
kamen in steiniges Gelände und fanden endlich in einer Senke einen roten Punkt.
Erst gingen wir den Weg in die falsche Richtung, erkannten das aber bald und
drehten um. Und dann mussten wir die nächste Stunde damit verbringen von einem
roten Punkt zum nächsten zu kommen. Einer von uns blieb immer am letzten Punkt
stehen und der Andere suchte den nächsten. Einmal taten wir das nicht und
hatten einiges zu tun um überhaupt wieder einen der Punkte zu finden. Zum Glück
waren wir schon in Latschengelände, denn wir waren uns eigentlich sicher, hier
übernachten zu müssen und ohne Feuer wäre das unangenehm geworden. An einer
Stelle - vor uns lag ein Geröllfeld - fanden wir keinen Punkt mehr. Doch
plötzlich riß über uns ein kleines Loch auf und wir hatten, nur kurz, Blick auf
den Sattel, den wir noch überqueren mußten. Wir stiegen an und fanden endlich
einen gut bezeichneten und vorallem ausgetrampelten weg. Jetzt hatten wir noch
ca. 400 Höhenmeter bis zur Hütte. Zum Glück hatten wir nicht einen der beiden
Rucksäcke am Einstieg platziert, den spät genug würde es an diesem Tag sowieso
schon werden. In der Hütte wollten wir keinen Halt machen, den erstens würden
wir, sollten wir irgendwo sitzen und uns jemand Bier geben, einfach sitzen
bleiben - und wir wollten heute noch heim, und zweitens wollten wir kein blödes
Gelabere anhören. Wir gingen vorbei, bis wir auch noch den Gegenanstieg hinter
uns hatten und machten dann die zweite richtige Pause an diesem Tag. Es war
22:00 Uhr und wir aßen unseren restlichen Proviant auf. Dann ging's gleich
weiter, denn es war eh' zu kalt zum geniesen. Um 22:45 Uhr waren wir beim Auto.
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