Der Triglav

 

28. Mai. Wir sind gestern Abend um 22:00 Uhr losgefahren, bepackt mit allem was man für ein Bergwochenende braucht. Um 3:00 Uhr waren wir fast am Ziel angelangt, an der Koca Pri Savici, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung. Das liegt kurz hinter dem Bohinjsko See in einer Sackgasse auf 653 Höhenmeter. Eine unglaublich schöne Landschaft, die voll erblüht und noch nicht vom Massentourismus heimgesucht wurde. Der Rest des sozialistischen Staubes erinnert mich an Tschechische Kinderfilme. Nach ca. 3 Stunden unruhigem Schlaf zwischen Lenkrad und Kopfstütze ging's los. Erst mal haben wir uns natürlich verlaufen. 200 Höhenmeter den falschen Weg zu einem Wasserfall. Aber dann ging's wirklich los, einen schmalen Weg eine Steilwand hoch, ca. 600 Meter, bis zum ersten der Triglavseen, der schon von weitem durch die Bäume smaragdgrün leuchtete. Der ideale Platz für eine kleine Rast, und für ein Bad. Anja war 15 Sekunden drin, ich mußte nach weniger als 10 aufgeben. Unglaublich kalt aber wunderbar erfrischend. Nach der Pause ging's weiter, langsam ein Tal hoch. Kurz nach dem See kamen wir zu den ersten Schneefeldern, zwar nur in Senken und schattigen Winkeln gelegen aber doch ein wenig beunruhigend auf ca. 1400 Metern. Um ca. 11:30 Uhr erreichten wir die nächsten 3 der 7 Triglavseen, und direkt bei ihr die erste Hütte, die Sieben-Seen-Hütte. Dort hatten wir eigentlich geplant, die erste Nacht zu verbringen, im offenen Winterraum. Nach der langen Nacht, dachten wir wäre es gut nicht so weit zu gehen. Doch wir fühlten uns fit, es war früh, und bis zur nächsten Hütte mit geöffnetem Winterraum sollten es höchstens 3 Stunden Gehzeit sein. Wir gingen langsam bergauf über ein unglaublich schönes Hochplateau, kamen an dem 4. Der Triglavseen vorbei, auf dem noch Eisschollen schwammen. Wir waren erst auf 1800 Meter. Langsam kamen uns bedenken ob es klug war, die Steigeisen im Auto zu lassen. Keine Ahnung welcher Gedankengang uns dazu bewogen hatte. Naja. Um ca. 13:30 Uhr kamen wir zu den letzten der Triglavseen, die schon gänzlich zugefroren waren. Wir befanden uns mittlerweile in einer wunderbaren Schneelandschaft. Links von uns ließen wir die nächste Hütte liegen und gingen, entschlossen, noch heute bis zur Planikahütte - dem Ausgangspunkt unseres Gipfelanstiegs - zu kommen. Die liegt auf 2400 Meter. Wir stiegen eine Schneeflanke an - der Schnee war durch den sonnigen Vormittag weich und man konnte gut spuren - hinauf auf einen Paß, der uns, so hofften wir, endlich den Blick auf den Triglav gönnen würde. Auf ca. 2270 Meter überraschte uns das Gewitter. Wir retteten uns von einem Schneefeld an einen Felsen und versuchten uns und die Rucksäcke unter den Ponchos vor dem Regen zu schützen. Regen kam nicht, aber erbsengroßer Hagel. Die Blitze schlugen direkt neben uns ein, Blitz und Donner kamen zeitgleich. Ich hatte solche Angst wie schon lange nicht mehr. Über eine Stunde kauerten wir dort und hofften, daß es nachlassen würde, doch es zog immer nur ein wenig weg und kam sofort wieder. Wir entschlossen uns, bei der nächsten Gelegenheit loszurennen und zwar zurück zur letzten Hütte, die laut Führer ein Notbiwak hat. 45 Minuten in einem Höllentempo bergab, dann waren wir endlich beim Biwak, 16:30 Uhr, restlos erschöpft und nur noch fähig apathisch zu essen und noch vor 19:00 Uhr einzuschlafen.

 

Morgens beim Wasserauffüllen
 


29. Mai. Heute morgen sind wir um ca. 6:00 Uhr aufgewacht. Herrliches Wetter und unwahrscheinlich gute Sicht. Es hat sich gelohnt die Schlafsäcke mit hochzuschleppen, ich hab' geschlafen wie zuhause - und mußte mich auch die ersten Sekunden nach dem Aufwachen daran erinnern wo ich bin. Wir haben gefrühstückt und sind dann gleich los. Erstmal zu einem der Seen um unser Trinkwasser aufzufüllen. An einer Stelle war das Eis so dünn, daß man es mit dem Stock aufstoßen konnte. Dann ging's hoch, den selben Weg wie gestern. Der Schnee war extrem harschig und obwohl die Spuren von gestern noch da waren mußte man bei jedem Schritt zweimal mit dem Schuh die gefrorene Schicht einstoßen um halt zu bekommen. Um ca. 8:30 waren unsere Spuren zu Ende und wir trafen auf die Stelle, wo wir gestern umdrehen mußten. Jetzt ging es ca. 1,5 Stunden auf einer Hochebene entlang, immer ein wenig rauf und runter. Und dann endlich die Sicht auf den Triglav, oder erstmal auf den Berg den wir dafür hielten. Trapper Tom übt sich im Kartenlesen. Doch kurz danach dann wirklich der Blick auf den König der Julischen. Wir standen auf 2300 Meter und sahen das ganze Massiv von unter der Baumgrenze bis hoch zu seinen 2864 Metern. Das war also der Berg, den alle Slowenen aus Nationalstolz einmal in ihrem Leben besteigen mußten. Also los...... Wir wollten heute bis zu der Planikahütte, die man auch schon sehen konnte. Das Wetter war bereits wieder schlechter, die ersten Wolken verdichteten sich und wurden schwarz. Bis zur Hütte ca. noch eine Stunde. Dazu mußten wir erstmal absteigen. Doch nur bis auf 2140 Meter und dann wieder hoch. Wir hatten es ein wenig eilig, wegen dem Wetter. Als wir zu der Hütte kamen donnerte es bereits wieder. Im Alpenvereinhüttenführer stand "Winterraum offen" oder hatte ich mich geirrt? Jedenfalls war alles zu und wir versuchten verzweifelt einen Schuppen aufzubrechen, was uns aber natürlich nicht gelang. Wir stellten uns also auf eine Nacht im Freien, doch immerhin unter einem Vordach der Hütte ein. Und auf alle Fälle unter dem Schutz eines Blitzableiters. Auf der Rückseite unserer Karte stehen alle Hütten beschrieben, auf Slowenisch, und man darf Anjas Sprachkenntnisse nicht unterschätzen....... Die nächste lag ca. eine Stunde entfernt und ist das ganze Jahr geöffnet, da 2 Meteorologen die Station dort betreuen und nebenbei die Winterräume verwalten. Wir stiegen also nochmal an auf 2515 Meter zum Triglavhaus (Triglavski Dom). Das Wetter hielt sich, bis auf ein paar Blitze und ein bißchen Donner war nichts. Um 13:00 Uhr waren wir bei der Hütte. Dort trafen wir auf den Meteorologen, der ganz gut Deutsch sprach und uns gleich Bier und Bohnensuppe mit Krainerwurst anbot. Genial. Sonst waren noch 2 grimmige Bergsteiger in der Hütte, die aber bald abstiegen und kurz nach uns kam noch ein älterer Mann. Alle hatten Schalenschuhe und Eispickel dabei. Seltsam, seltsam. Den Nachmittag verbrachten wir mit Triglavanschauen, mit Fernglas und ohne. Der Einstieg war schwierig. Eine Steilschneeflanke, sicher so steil wie die Rinne an der Dreitorspitze, doch gut gespurt, anschließend Klettersteig, gut gesichert, soweit man das von unter sehen konnte. Oben auf dem Grat zwischen dem kleinen und dem Hauptgipfel waren Schneegrate zu sehen. Die Frage war nur, wie man oben gehen muß. Aber das konnte man von unten nicht sehen. Die zweite, noch viel entscheidendere Frage war, ist es besser am Nachmittag zu gehen, wenn der Schnee aufgeweicht ist oder ist es möglich den Anstieg morgens zu wagen, und überhaupt ohne Steigeisen und Pickel. So ein Scheiß, das Zeug liegt verteilt im Auto und daheim. Am Nachmittag kam noch ein weiterer Bergsteiger an. Ein verschlagenes kleines Völkchen, grüßen nicht und bestellen gleich Sliwowitz und fettige Krainer Würste. Wir gingen früh schlafen, weil wir fertig waren und weil wir am Tag der Tage früh fit sein wollten.

Nachts bin ich einmal aufgewacht, weil der Vollmond, die gute alte Säufersonne direkt durch das Fenster in mein Gesicht leuchtete.

30. Mai. 4:30 Uhr aufstehen, zusammenpacken, die unwichtigen Dinge wie Schlafsack usw. in eine Plastiktüte und in der Stube deponiert und den Rest gut im Rucksack verpacken. Der Meteorologe bot uns stark gezuckerten Tee an. Draußen saß der zuletztgekommene Bergfex und machte sich bereit für den Gipfelsturm. Als er sich die Steigeisen gleich bei der Hütte anzog hab' ich mich ziemlich beschissen gefühlt. Wir verbrachten ungefähr eine Stunde damit, den Aufstieg von ihm und dann auch den Aufstieg des Alten mit dem Fernglas zu beobachten und abzuwägen. Der Alte war ohne Steigeisen losgegangen - obwohl er, wie ich sah welche bei sich hatte - aber mit Schalenschuhen und Eispickel (aus Holz). Um kurz nach 6 Uhr war klar, wir lassen es sein und werden uns ein anderes mal an ihm versuchen, dann ausgerüstet mit den nötigen Utensilien. Aber irgendwas war da noch, ich mußte immer wieder durch das verkackte Fernglas schauen, immer wieder die Route anschauen - der Einstieg glänzte eisig, doch es war zu sehen, daß man das Stück eventuell umgehen konnte - und dann ging's los. 6:40 Uhr. Wir hatten besprochen, soweit zu gehen wie es ging, soweit bis einer von uns Zweifel haben würde den Weg nach oben und vor allem den Rückweg sicher zu schaffen. Die eisige Stelle lies sich tatsächlich umklettern. Und dann ging's erstmal den gut gesicherten Steig nach oben auf den kleinen Triglav. Eine blöde Stelle kam noch, eine Nische in der Schnee lag über blankem Eis. Genau dort trafen wir zwei slowenische Bergfexe, die die ganze Nacht durchgegangen sind. Um 23 Uhr bei Vollmond losgegangen waren sie um 5:30 Uhr auf dem Gipfel. Von der Nordseite ist der Triglav leicht als 2 Tagestour mit einer Übernachtung zu schaffen. Der erste der beiden kletterte singend ab, wahrscheinlich voller Gipfelglück. Wir stiegen weiter an. Bis auf 2725 Meter dem Gipfel des kleinen Triglavs. Dort trifft der Weg von der Planikahütte auf unseren Weg. Dann fing das eigentlich schwierige an, die Gratüberschreitung auf den Hauptgipfel. Ich frage mich, wie jeder Slowene hier hochkommen soll, selbst im Sommer ist das eine anspruchsvolle Tour, vergleichbar mit der Watzmannüberschreitung. Obwohl gut gesichert nicht so einfach zu klettern und vor allem geht es links und rechts einige hundert Meter fast senkrecht runter. Die Sicherung hat uns auch geholfen, dort wo sie nicht nötig war. Sie war nämlich nur da, wo kein Schee lag. Seit heute heiße ich "Schneegrat Dammerl". Viermal mußten wir über einen Schneegrat wo's auf beiden Seiten direkt ins Tal ging. Wir hatten einen Teleskopstock zusammengeschoben und den Teller abgemacht, um wenigstens ein wenig den Effekt eines Eispickels zu haben. Unser Glück war, daß an diesem Tag schon ein paar Leute den Gipfel bestiegen hatten und uns eine einigermaßen Spur hinterlassen hatten. Doch an manchen Stellen war's schon brenzlig. Eisige Stellen und glitschiger Schnee. Und dann um 8:10 Uhr der Gipfel.

 

Auf dem Gipfel

 

 

Oben war nur noch der Alte und mühte sich ab seine mitgebrachte Fahne an seinen Eispickel zu binden und neben dem Gipfelturm (der wurde vor ca. 100 Jahren gebaut und bietet ca. 2 Menschen stehend Platz) zu platzieren, der zu 2/3 unter Schnee lag. Ich bot ihm an ein Foto von ihm zu machen. Er erklärte uns, daß er aus einem Dorf kommt, das aus ca. 30 Häusern besteht und daß sie eine eigene Fahne haben und ein eigenes Wappen. Ein kleiner Schluck Slivovka aus seinem Flachmann, der natürlich auch das Wappen des Dorfes trug. Im Wappen der Turm auf dem Triglav. 2864 Meter und kein Wölkchen am Himmel. Blick auf die hohen Gipfel der Ostalpen, der Großglockner spitz und klar im Westen, die Karawanken in Hochnebel gelegen, die ganzen Julischen Alpen unter uns, selbst die Gipfel, die vor einigen Stunden noch irrsinnig hoch wirkten lagen alle ganz tief unter uns. Im Süden die Adria, die ich gerne gesehen hätte leider unter Wolken. Obwohl wir ja garnicht so hoch waren blähten sich die Schokoriegelverpackungen, die wohl auf "normaler" Höhe luftdicht verpackt wurden, im niedrigem Druck auf. Wir blieben nicht lange, immer den Abstieg im Kopf. Vom Gipfel sieht man die beiden Hütten und 2 der 4 Schneegrate. Wir gingen nicht weit hinter dem Alten los. Der Abstieg fiel uns leichter als der Aufstieg - den müssen wir machen. Auf dem Gipfel des kleinen Triglavs treffen wir auf den Alten. Er geht die Route zur Planika Hütte, und dann die Umrundung zum Triglavhaus. Der Weg soll weniger vereist sein. Wir entschließen uns auch diesen Weg zu gehen. Und tatsächlich, nur normale Schneefelder, in der Vormittagssonne gut aufgeweicht. Bei der Planikahütte geht's dann wieder bergauf, den Weg, den wir gestern schon gegangen sind. Um 10:36 Uhr sind wir bei der Hütte, bestellen jeder 2 Krainerwürste mit Senf und Brot, genießen kurz unser Bergsteigerglück und machen uns bereit für den Abstieg. Wir hatten uns entschlossen nicht den selben Weg zurückzugehen sondern eine Rundwanderung daraus zu machen. 2 Hütten mit Winterräumen lagen auf unserem Weg, die erste relativ nah - dort wollten wir nur bleiben wenn das Wetter schlechter werden sollte - und die zweite, ca. 2 - 3 Stunden Gehzeit vom Auto weg. Wir wollten am Montag nicht zu spät nach Hause kommen, um zu waschen und und uns ein wenig zu erholen, bevor die Woche beginnen würde. Ca. halb 12 gingen wir los, runter bis auf ca 2000 Meter um dann eine ziemliche Zeitlang, leicht bergab, an einer Bergflanke entlangzugehen bis zu der ersten Hütte, Vodnikov Dom. Auf dem Weg stellte sich ein junger Steinbock in den Weg, räumte diesen aber bald wieder. An der Hütte gings dann runter in einen Talkessel auf ca. 1700 Meter. Dort verliefen wir uns dann das erste Mal. Nicht schlimm, aber es schlaucht einfach. Wieder den richtigen Weg gefunden - wir mußten aus diesem Tal wieder raus - kamen wir auf den nächsten Abweg (die Konzentration ließ wohl nach), der erst auf ca. 2100 Meter in einem Kessel endete, der nur von der Seite offen war, aus der wir kamen. Also zurück. Und dann endlich den richtigen Weg, ein Hochweg auf ca. 2000 Meter, der uns über 2 Pässe endlich in das richtige Tal brachte. Wir mußten dann absteigen, bis auf 1455 Meter. Die Hütte erreichten wir um kurz vor 20:00 Uhr, längst in einem Stadium angelangt, in dem jeder Schritt zur Qual wird. Die Hütte wieder direkt an einem See gelegen und kein Mensch den ganzen Weg runter und natürlich auch nicht in der Hütte. Der Winterraum ist eine kleine, feuchte Kammer die nicht unbedingt zum Übernachten einlädt. Wir schafften es gerade noch die letzten Trekkingessen zuzubereiten, eine Menge Tee zu trinken und zumindest das Abendrot zu geniesen um dann noch bei Helligkeit einzuschlafen.

 

31. May. Wir standen um 5:30 Uhr auf, fühstückten und gingen los. Die Beine hatten nur noch wenig Kraft und es war gut nicht mehr viele Stunden gehen zu müssen. Wir ließen uns Zeit und genossen die Landschaft. Die wirkt viel unverdorbener als unser Teil der Alpen. Allerdings glaub' ich, das hier ab Juli - wenn die Hütten öffnen - ganz schön viel los ist. Um ca. 8:30 Uhr trafen wir bei dem ersten Triglavsee auf unseren Anfangsweg, und konnten uns auch diesmal ein Bad nicht verwehren. Und endlich frische Klamotten vor dem Abstieg, die 600 Höhenmeter bis zum Auto.