Aiguilles Rouge 2950 m
16.-18.02.01
1. Tag
Nachdem wir uns im Visitorcenter eingetragen haben, gehen wir um kurz vor
11 Uhr am Parkplatz im Tasman Valley los. Wir haben wieder mal viel Gepäck, die
ganze Ausrüstung und Essen für 3 Tage. Das Wetter ist schlecht vorhergesagt,
für heute Regen, morgen ein wenig besser und am Sonntag wieder Regen. Aber
Neuseeland hat zwar die meisten Wetterberichte, doch wahrscheinlich die
unzuverlässigsten. Der Weg geht ca. 8 Kilometer auf der Moräne neben dem Tasman
Gletscher, der bedeckt ist mit Geröll. Kurz bevor der Ball Eisbruch von der
Mount Cook Range runter kommt müssen wir den Geröllhang ca. 100 Meter runter
auf den Gletscher. Dann suchen wir uns einen Weg, ca. weitere 5 Kilometer über
Geröll. An manchen Stellen ragen riesige Eiswände aus dem Schotter. Wir gehen
durch Täler und über Hügel. Das Wetter wird besser und die Wolken verziehen
sich langsam. Neben uns tauchen der riesige, eisblaue Hochstetter Eisbruch auf
und die Ostflanke von Mt. Cook. Wir erreichen das Blankeis, binden die
Steigeisen auf und gehen ca. weitere 3½ Kilometer auf dem Gletscher. Zum Glück
liegt kein Schnee bis zu unserer Abzweigung, so können wir ohne Seil das Eis
genießen. Herrlich blau, Rinnsale und Wasserläufe, die gluckernd im Eis
verschwinden. Wir genießen es über die zerfurchte Oberfläche zu laufen.
Anja
auf dem Tasman Gletscher
Um etwa 19 Uhr erreichen wir den Einstieg zum Beetham Tal. Wir müssen
über einen Steilen Geröllhang an dem Wasserfall des Beetham Creek vorbei, der
tosend unter dem dicken Eis des Tasman Gletschers verschwindet. Den Fluß
überqueren wir über eine "3-Seil-Brücke", die noch aus der Zeit als
die Beetham Hütte noch existierte stammt. Die Überquerung ist mit den schweren
Rucksäcken ein sprichwörtlicher "Drahtseilakt". Dann geht's weglos
noch ca. 300 Höhenmeter nach oben. Wir müssen noch etliche Male den Fluß überqueren
und dafür einmal einige Steine ins Wasser befördern und ein anderes mal die
Rucksäcke rüber schmeißen und uns gegenseitig nach dem Sprung stützen.
Mittlerweile haben sich alle Wolken aufgelöst und der Blick aus dem Tal raus
fällt auf die nur ca. 10 Kilometer entfernte Ostflanke von Mt. Cook und auf Mt.
Tasman. Vor uns wird der rote Stein von Malte Brun und Aiguille Rouge durch die
untergehende Sonne noch röter. Wir steigen hoch, solange es geht und finden
kurz vor Sonnenuntergang um ca. 21:30 einen schönen Lagerplatz auf 1560 Meter.
Das Wetter ist so gut, daß wir uns entschließen ohne Regenschutz zu schlafen.
Zum Einschlafen genießen wir den Blick auf einen herrlicher Sternenhimmel.
Unser Hochlager am Fusse des Aguille Rouge
2. Tag
Den Wecker um 5:30 Uhr hören wir nicht. So kommt es, daß wir erst um 8:30
Uhr, nachdem wir unsere Sachen verstaut haben losgehen. Erst ca. 400 Höhenmeter
weiter den Fluß hoch über Geröll. Wir müssen den Fluß zweimal überqueren. Dann
erreichen wir die Schneerinne, die neben dem Beetham Gletscher zum Malte Brun
Pass hochzieht. Die Rinne ist ca. 35 Grad Steil und der Schnee ist hart. Wir
ziehen unsere Steigeisen auf und schlängeln uns hoch. Um etwa 12 Uhr erreichen
wir den Malte Brun Pass. Von dieser Seite haben wir die Wahl zwischen 3
Aufstiegen: Die North Ridge und die North East Ridge, die beide mit 2 bewertet
(unsere Buch beschreibt sie mit gutem und hervorragendem Fels), und die North
East Flank, ein ca. 45-50 Grad steiles Schneefeld, das mit 2- bewertet ist.
Wegen dem riesigen Bergschrund auf der Schneeflanke entscheiden wir uns für die
North East Ridge. Um ca. 13 Uhr haben wir einen Einstieg auf die Ridge gefunden
und die Kletterei beginnt. Der Fels ist brüchig und morsch und trotz der
Ausgesetztheit entscheiden wir uns nicht zu sichern, da es sehr viel Zeit
kosten würde und kaum ein guter Standplatz auszumachen ist. Die ca. 1,5
Kilometer und 450 Höhenmeter kosten uns fast 6 Stunden und ein paar Nerven.
Blick auf die Nort-East-Ridge und die
Schneeflanke des Abstieges
Um 4:30 erreichen wir den Ostgipfel. Klar ist, daß die Aufstiegsroute
nicht für den Abstieg geeignet ist. Die beiden Gipfel sind durch einen kurzen
Schneegrat getrennt. Wir queren gesichert am Seil die Flanke und gehen das
letzte Stück auf brüchigem Fels zum Hauptgipfel, den wir um kurz nach 18 Uhr
erreichen. Trotz der Zeit und den Kopfschmerzen, die wir alle wegen dem
mangelndem Trinken haben, genießen wir den herrlichen Ausblick auf die Main
Divide. Dann geht's runter. 3 Seillängen klettern wir gesichert über das
Schneefeld ab, bis wir eine Schotterrinne erreichen, die uns zum Gletscher auf
der North East Flank bringt. Der Bergschrund ist zwar riesig, doch wir können
ihn umgehen und sind um ca. 20:30 Uhr an der Schneerinne. Zum Glück ist der
Schnee weich und wir können schnell abfahren. Bei Einbruch der Dunkelheit
erreichen wir das Ende der Rinne, können uns nun Zeit lassen, nehmen die
Steigeisen ab, holen unsere Stirnlampen raus und gehen die letzten 400
Höhenmeter im Schein der Lampen runter. Um 22:15 Uhr erreichen wir das Lager.
Paul muß sich übergeben (vermutlich konnte sein Körper mit den 2 Litern
eiskaltem Wasser, die er wie wild in sich reingeschüttet hat nichts anfangen).
Trotzdem wir den ganzen Tag nicht mehr als 4 Müsliriegel und ein Stück Käse
gegessen hatten, essen wir nur ein wenig und schlüpfen in unsere Schlafsäcke.
Anja
und John beim Abstieg
3. Tag
Wir schlafen aus, genießen die Morgensonne und den herrlichen Blick.
Nachdem wir gemütlich gefrühstückt hatten gehen wir um ca. 11:30 Uhr los. Den
selben Weg, den wir 2 Tage zuvor hoch sind runter. Die Wanderung über das
Blankeis des Tasman Gletschers ist wieder sehr genußvoll, doch die vielen
Kilometer über den geröllbedeckten Teil des Gletschers in der heißen Sonne sind
extrem anstrengend und wir sind alle froh, als wir um kurz vor 19 Uhr das Auto
erreichen. An diesem Tag sind viele Helikopter zu sehen und später erfahren
wir, daß eine Rettungsaktion in Gang war, ein Kletterer wurde am Mt Tasman
vermißt.
|